EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"CED-Darmerkrankungen\" am 20.10.2011

Experteninterview zum Thema "CED-Darmerkrankungen"

mit PD Dr. Tanja Kühbacher, Oberärztin am Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, Klinik für Innere Medizin I in Kiel. Schwerpunkte: Entzündungsmedizin und CED-Ambulanz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ursachen von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind noch nicht endgültig erforscht. Wie ist der aktuelle Stand?

  • PD Dr. Kühbacher: Es handelt sich bei den CED um Erkrankungen mit einem genetischen Hintergrund mit der Folge einer gestörten Darmbarriere. Dabei wird die normale Besiedlung mit neutralen und gesundheitsfördernden Bakterien im Darm verändert und entzündungsfördernde Botenstoffe werden verstärkt ausgeschüttet. Man spricht auch von so genannten multifaktoriellen Erkrankungen, bei denen neben erblichen Faktoren auch äußere Einflüsse eine Rolle spielen.

In den letzten Jahren hat sich die CED-Therapie stark weiterentwickelt. Welche neuen Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

  • PD Dr. Kühbacher: Insbesondere Biologika sind bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in den letzten Jahren als neue Therapiestrategien hinzugekommen. Es handelt sich dabei um TNF-alpha-Blocker, wie beispielsweise Infliximab, die bei Erwachsenen intravenös (über die Vene) oder subcutan (unter die Haut) verabreicht werden.

Trotz bekannter Nebenwirkungen wird immer noch Kortison verordnet – warum?

  • PD Dr. Kühbacher: Ärzte, die nicht auf CED spezialisiert sind, kennen sich häufig mit den neuen Behandlungsstrategien nicht ausreichend aus. Des Weiteren bestehen bei den Betroffenen häufig Ängste bezüglich neuer Behandlungsmethoden, die sich durch eine gute Aufklärung aber beheben lassen.

Von Biologika versprechen sich manche Patienten viel. Für wen sind die modernen Medikamente geeignet und was können sie leisten?

  • PD Dr. Kühbacher: Biologika sind geeignet für Patienten mit Komplikationen und einem chronisch-aktiven Krankheitsverlauf. Man setzt sie aber auch als so genannte Top-down-Therapie ein, das heißt rechtzeitig, bevor es zu Komplikationen kommt. So zum Beispiel bei jungen Patienten mit ausgeprägtem Krankheitsbefall bei der Erstdiagnose oder beim Vorliegen von Fisteln. Hier sollte zügig mit einer solchen Therapie begonnen werden, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen.

Wann wird eine Operation erforderlich und sind die Patienten danach beschwerdefrei?

  • PD Dr. Kühbacher: Kommt es bei Morbus Crohn zu Komplikationen wie Abszessen, Fisteln zur Blase oder Stenosen (narbigen Verengungen), sind Operationen notwendig. Bei Colitis ulcerosa kann es bei Komplikationen notwendig sein, den kompletten Dickdarm (Kolektomie) zu entfernen – etwa bei einem toxischen Megacolon, also einem Schub, der medikamentös nicht behoben werden kann und das Leben gefährdet. Eine Operation ist auch notwendig, wenn Krebsvorstufen (Dysplasien) in der fein-geweblichen (histologischen) Untersuchung vorliegen. Bei der Colitis ulcerosa sind die Patienten nach der Operation in der Regel beschwerdefrei. Das ist bei Morbus Crohn leider seltener der Fall. Hier muss eine gute medikamentöse Therapie erfolgen, um erneute Komplikationen zu verhindern.

Früher hieß es oft, CED sind rein psychosomatische Erkrankungen. Welchen Zusammenhang zwischen Psyche und den chronischen Darmentzündungen gibt es?

  • PD Dr. Kühbacher: CED sind keine psychosomatischen Erkrankungen, allerdings handelt es sich dabei, wie der Name schon sagt, um chronische Erkrankungen. Die Betroffenen werden in allen Lebensbereichen wie Berufsplanung, Partnerfindung und Familienplanung durch die Erkrankungen beeinflusst und dies leider häufig bereits in einem frühen Lebensalter. Generell gilt, dass eine stressfreie, ausgeglichene Umwelt mit Akzeptanz der Erkrankung den Verlauf günstig beeinflussen kann.

Welche Bedeutung kommt einem gezielten Stressmanagement bei der Behandlung von CED-Patienten zu?

  • PD Dr. Kühbacher: Ein gutes Stressmanagement ist ebenso wie eine psychologische Betreuung sehr wichtig und für den Krankheitsverlauf von Vorteil. Allerdings wird Stress heutzutage längst nicht mehr als Krankheitsursache angesehen. Er kann lediglich eine Rolle beim Wiederaufflackern der Krankheit spielen. Eine Möglichkeit der Stressregulation kann sein, sich in Selbsthilfegruppen auszutauschen, Entspannungstechniken zu erlernen und die Krankheit zu akzeptieren.

Sport kann bei vielen Erkrankungen hilfreich sein – auch bei CED?

  • PD Dr. Kühbacher: Sport ist bei CED, wie bei allen chronischen Erkrankungen, äußerst hilfreich. Studien konnten zeigen, dass eine CED günstig durch regelmäßige, an die Erkrankungen angepasste Sporteinheiten beeinflusst werden kann. Wenn Sport und Bewegung Freude bereiten und nicht ihrerseits in Stress ausarten, sind fast alle Sportarten möglich. Allerdings sollte das Training stets maßvoll sein und sich an den individuellen Leistungsgrenzen des einzelnen Patienten orientieren.

Für Kinder ist die Diagnose CED besonders gravierend – wie können Ärzte, Therapeuten und Eltern die kleinen Patienten unterstützen?

  • PD Dr. Kühbacher: Wichtig ist eine dem Alter angepasste, gleichberechtigte Einbeziehung der kleinen Patienten in alle Vorgänge, denn Kinder verstehen sehr viel mehr, als Erwachsene ahnen. Dies hilft Ängste zu minimieren und verbessert die Akzeptanz der Behandlung. Eine enge Zusammenarbeit von CED-Spezialisten, Kinderarzt, Psychologen, Krankengymnasten, Eltern und dem kleinen Patienten ist daher wünschenswert.

Gibt es Tipps, die CED-Patienten den Alltag erleichtern können?

  • PD Dr. Kühbacher: Wichtig ist eine gute ärztliche Betreuung mit einer ausreichenden medikamentösen Therapie. Zudem sollten sich Betroffene nicht scheuen, Hilfsangebote von Selbsthilfegruppen oder auch psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Auf der Internetseite der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV e. V können sie sich auch per E-Mail oder Chat beraten lassen (www.dccv.de). Auch die Internetseite die-zukunft-beginnt-jetzt.info bietet hilfreiche Informationen. Ebenfalls hilfreich ist die Homepage der Stiftung Darmerkrankungen (www.stiftung-darmerkrankungen.de), die jedes Jahr Ausbildungsstipendien für Betroffene vergibt.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),